Was ist ein Trauma?

„Wenn du glaubst, du bist erleuchtet, dann besuche deine Eltern bzw. deine Familie.“
Dieses Zitat stammt von einem indischen Heiligen, der Name ist mir entfallen.
Das aktuelle Thema passt gut zu Weihnachten und ist eine Fortsetzung zu meinem Text vom November über Auslöser und Verursacher (von Leid, Schmerz, Wut usw.).
Dies möchte ich unter dem Aspekt von Trauma noch einmal betrachten:
Fast jeder möchte an Weihnachten gerne zu Hause sein, im inneren und äußeren Zuhause. Manchmal ähnelt das innere Zuhause nicht mehr dem äußeren Zuhause.
Sind wir zu Weihnachten auf Besuch bei den Eltern, bzw. der Herkunftsfamilie, dann endet für die Meisten die Hoffnung auf gemütliche Weihnachten schon nach dem Zuklappen der Haustür. Die Freude des Wiedersehens überdeckt jedoch noch eine Weile die einsetzende Enttäuschung: „the same procedure as every year.“
Doch nun erst mal tief durchatmen!
Was heißt überhaupt „Trauma“ und wie entsteht es?
Es gibt eine Fülle von wissenschaftlichen Abhandlungen / Literatur dazu. Mit geht es hier jedoch darum, das Ausmaß dieser – ich nenne es mal psychischer, geistiger und körperlicher Behinderung – zu beschreiben und die damit verbundene enorme Einschränkung der Lebensqualität aufzuzeigen!
Wir müssen unser Trauma nicht verstecken. Denn es ist eigentlich gar nichts persönliches, eher ein kollektives Gedankengut, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde – und noch wird.
Auf Griechisch heißt Trauma Verletzung oder Wunde. Es gibt in unserem Leben frühe Verletzungen und Wunden, die unsere Verarbeitungsfähigkeit bei Weitem übersteigen.
Man spricht entweder von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), dem ein einmaliges extrem belastendes oder bedrohliches Ereignis vorausging, oder von einem Entwicklungstrauma. Die Posttraumatische Belastungsstörung tritt als eine zeitlich verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis auf. Ein Entwicklungstrauma entsteht durch fortlaufende Belastung eines Individuums, meist verursacht durch die fehlende Bindung oder krank machende Verhaltensweisen der Bezugspersonen.

Jedes Kind entwickelt nun im Laufe der Zeit eine Überlebensstrategie, das heißt, alle schmerzhaften Erfahrungen und Erlebnisse werden dissoziiert (abgespalten), um den Schmerz darüber nicht zu fühlen. Und so richtet sich der Mensch in dieser kleinen Ecke seines kontrollierten Raumes ein, seinen unbewussten Glaubenssätzen folgend, oft bis zum Lebensende. (Hierzu siehe mein Thema „Unbewusste Glaubenssätze„ im Blog Februar.)
Was hat das Ganze aber nun mit Weihnachten zu tun?
Weihnachten ist ein Familienfest. Und wenn wir von Entwicklungstrauma sprechen, dann sprechen wir auch vom Ursprungsort: der Ursprungsfamilie.
Nun stellen wir uns bitte vor, dass jeder sein konstruiertes Überlebensmodell, seine Strategie in die Weihnachtssituation hinein trägt. Dann wiederholt sich jedes Jahr das Alte. Was ist das Alte?
Das Alte sind die Erinnerungen an Erfahrungen vom letzten Jahr beziehungsweise von den letzten Jahren. Mit alten Denkweisen: wie funktioniert Familie, Kommunikation, Versorgung, Harmonie. Wahrscheinlich von Generationen überliefert. Es sollte so und so laufen, „das macht man oder machen wir so“ zu Weihnachten. Der Stress setzt ein, lange vorher. Ich brauche es nicht länger zu beschreiben: die vielen Geschenke, der Braten, der nicht anbrennen darf, die Tante, die berücksichtigt werden muss, überhaupt die vielen „Muss und Solls.“
Diejenigen, die sich nun auch noch für einen „harmonischen Ablauf“ verantwortlich fühlen, und das ist meist die Hausfrau und/oder der Hausmann, sind meist gar nicht wirklich anwesend, denn es muss ja so viel bedacht, getan, berücksichtigt werden.
Alle kommen zusammen und wünschen sich – was? Aber genau darüber wird in der Regel nicht gesprochen. Es bleibt unausgesprochen, der Einzelne ist mit seinen inneren Prozessen allein.
Beginne wir doch einfach damit, auch unsere Familien an unseren Prozessen teilhaben zu lassen. Machen Sie den Anfang. Seien Sie mutig, sagen sie beispielsweise: Wozu ich Lust habe ist …………! Oder: was ich in der Zeit unseres Zusammenseins brauche ist……………….!
Gut zu essen, dieses oder jenes Spiel zu spielen, zu faulenzen, zu lesen, Musik zu hören, ab und zu brauche ich Rückzug, ich möchte dir gerne zuhören, und ab zu brauche ich, dass mir jemand zuhört. Und ich erlaube mir dieses Jahr einmal, nicht bzw. sehr gerne in die Kirche zu gehen.
Ich achte darauf, nichts zu müssen oder zu sollen, und wenn der Braten für 18.00 Uhr angekündigt wurde, erlaube ich mir, meinen Plan zu ändern, damit nichts anbrennt!!
Oft ist es so, dass es auch für alle anderen passt! Oh ja, gute Idee, eine Stunde später, wir spielen hier grad so schön.

Damit meine ich nicht, man sollte jetzt hauptsächlich seine inneren Prozesse des langen und des breiten darlegen, und ich möchte auch Weihnachten und das Feiern keineswegs mies machen. Im Gegenteil.
Es ist im Grunde eine so segensreiche Zeit! Sie lädt ein, es sich wirklich gemütlich zu machen. Etwas mehr Improvisation und Flexibilität – dann ist auch mehr Freude, und Entspannung möglich!
Virginia Satir, die Begründerin der Familientherapie, hat „5 Freiheiten“ aufgezählt:
Sie hängen bei mir in der Küche – da spielt sich viel ab.

  • „Die Freiheit zu sehen und zu hören, was ist, statt zu sehen und zu hören, was sein sollte oder einmal sein wird.
  • Die Freiheit zu sagen, was du fühlst und denkst, statt zu sagen, was du darüber sagen solltest.
  • Die Freiheit zu fühlen, was du fühlst,
    statt zu fühlen, was du fühlen solltest.
  • Die Freiheit, um das zu bitten, was du möchtest,
    statt immer auf die Erlaubnis anderer zu warten.
  • Die Freiheit, um der eigenen Interessen willen Risiken einzugehen, statt sich dafür zu entscheiden, „auf Nummer Sicher zu gehen“.

Und zum Schluss noch ein Zitat von Stuart Wilde, ein wie ich meine genialer Visionär und Schriftsteller: „Ich wette meinen letzten Cent darauf, dass unsere Lebensqualität in Zukunft zwangsläufig vom Grad unserer Bewusstheit und der Klarheit unserer Wahrnehmung abhängen wird.“
In diesem Sinne Euch / Ihnen und allen Menschen: Freudige Weihnachten!